Die Unsitte der gekauften Speaker-Slots

Die gekaufte Experten-Slots auf Digital-Konferenzen

[Editorial] Derzeit kommen wieder vermehrt Mails von Konferenzveranstaltern, die mich als Speaker für ihre Veranstaltungen gewinnen wollen. Die Planungen für 2024 laufen.

Vor dreißig Jahren, als ich noch eine Lehre als Werbekaufmann und danach ein Marketingstudium absolvierte, galt derjenige als Experte auf seinem Gebiet, der viel Wissen und Erfahrung angesammelt hatte und damit echte Erfolge vorweisen konnte. 

Um davon zu lernen, buchte man Seminare, die gerne 2 oder 3.000 DM und mehr kosteten. Viel Geld, aber dafür bekam man einen echten Gegenwert. Man konnte sich darauf verlassen, dass das, was man hörte, echtes und erprobtes Fachwissen war. Man kaufte als Teilnehmer Wissen und der Referent wurde dafür bezahlt. Wenn er auf der Bühne stand, war er bezahlt und versorgt. Komplett. Saubere Sache, sauberer Deal. Der Redner musste also nicht darum pitchen, dass möglichst viele Leads auf seinen Vortrag folgten. In sich geschlossene Vorträge waren das Ergebnis und nicht der Abbruch nach der Hälfte des Themas mit der Aufforderung an die Zuhörer, doch bitte seinen Newsletter zu abonnieren, um tiefergehende Informationen zu erhalten.

Heute ist es oft umgekehrt. Die Seminare kosten fast nichts oder sind kostenlos. Der Veranstalter finanziert sich dadurch, dass die Referenten für ihren Speaker-Slot auf der Bühne bezahlen.

Auf den meisten der bekannten Digital- und eCommerce-Veranstaltungen kann sich jeder einkaufen, der möchte. Egal, ob er auch nur den Hauch einer Ahnung hat. Nach den vielfach leider erbärmlichen Sales-Pitches auf der Bühne folgt dann auf allen Kommunikationskanälen der stolze Hinweis, man sei ja ein bekannter Experte.

Schlimmer noch, die Veranstalter werben ganz offen damit, dass man sich mit ein paar gekauften Speaker-Slots zum Experten stilisieren kann.

Mir liegen einige dieser „Preislisten“ der Veranstalter vor. Leider sind da auch große bekannte Namen dabei, von denen man meinen möchte, dass sie es nicht nötig haben, solche Speaker-Slots verkaufen zu wollen oder zu müssen.

Die allseits beliebten digital stattfindenden Konferenzen sind besonders cool. Da zahlt man zuerst für den Slot und danach noch für jeden Lead. DSGVO-konform natürlich.

Flankiert wird das Angebot durch die Buchverkäufer.

Aber nicht die Buchverkäufer, wie sie früher um die Häuser zogen, um wertlose Lexika zu verkaufen. Nein, heute sind diese Drückerkolonnen digital unterwegs und werben damit, dass Branchenneulinge mit wenig bis gar keiner Expertise mit ihrer Hilfe simple ChatGPT-generierte Werbetexte in billige Paperbacks pressen, um sich damit als „Autor“ in den Expertenhimmel zu faken.

Um das Paket des gekauften Expertenstatus richtig rund zu machen, kommen die PR-Artikelverkäufer aus ihren Löchern gekrochen.

„Wäre es nicht toll, wenn die großen renommierten Wirtschaftsmagazine über Dich berichten würden?“, fragen sie in ihren Kaltakquise-Mails und nervigen „Klingt das für Dich interessant“-Spam-PNs via Facebook und LinkedIn. Natürlich ist der eigene Name positiv in der Presse genannt toll. Ich wurde in den für meine Branche wichtigen Publikationen bereits dutzendfach erwähnt und zitiert. Das bringt Reputation und Anfragen. Wenn man als Experte im redaktionellen Teil auftaucht! Was aber hier von den Glücksrittern verkauft wird, ist nichts anderes als die Buchung einer Anzeige. Auch wenn sie im Look & Feel des redaktionellen Teils gestaltet ist, hat diese simple Anzeigenschaltung nichts mit Erwähnungen in diversen Wirtschaftstiteln zu tun. Überhaupt nichts! Kein Redakteur kennt den Namen, lediglich die Buchhaltung der Verlage.

Liebe Veranstalter, wenn die Sympathie stimmt und die Rahmenbedingungen passen, komme ich gerne zu euch auf die Bühne.

Real oder digital, ich bin da. Euer Publikum profitiert von meinem Fachwissen. Themen werden von mir abschließend behandelt. Ohne Unterbrechung genau dann, wenn es spannend wird, um Leads aus dem Publikum zu erbetteln. Echtes Expertenwissen, von dem die Zuhörer profitieren, das sie in ihre Unternehmen mitnehmen und dort umsetzen können. Genau dafür sind Konferenzen meiner Meinung nach da. Digitales Marketing, Branding und E-Commerce sind meine Themen.

Aber bitte, ihr Veranstalter da draußen, verschont mich mit Anfragen, ob ich denn nicht als bezahlter Redner zu euch kommen möchte.

Spart Euch diesen Quatsch, löscht mich aus Eurem Verteiler. Ich werde niemals Geld dafür bezahlen, bei euch einen Vortrag halten „zu dürfen“!

Anmerkung:

Wir wollen es besser machen. Ehrlicher. Transparenter. Aus oben genannten Gründen wird SELR in 2024 auch digitale Konferenzen veranstalten.

Aber wir werden keinen Speaker gegen Bezahlung auf die virtuelle Bühle lassen.

Wer bei SELR spricht und schreibt, der hat in seiner Laufbahn bewiesen, dass er Profi auf seinem Gebiet ist und kann einen validen Trackrecord vorweisen.

Für SELR hat oberste Priorität, dass ihr Händler von den Vorträgen profitiert.

Über all die lustigen gekauften „Awards“ reden wir dann ein anderes Mal.

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Über die Autor*innen

Andreas Frank

Andreas Frank ist ein Pionier der deutschen Digitalwirtschaft, hat seit 1992 mehrere Internetfirmen mit Erfolg gegründet und ist an acht Exits beteiligt. Er wohnt in Palma de Mallorca und führt seine auf digitale Geschäftsmodelle spezialisierte FrankVestor GmbH in Hamburg. Frank ist ausgebildeter Werbekaufmann und hat Marketing, Kommunikation und Wirtschaftsrecht studiert. Er ist als Berater, Investor und Redner tätig und engagiert sich seit vielen Jahren im Expertenrat des Händlerbundes.