[Editorial] Man könnte lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Was derzeit in der eCommerce-Beraterwelt passiert, ist ein Glaubenskrieg auf Kindergartenniveau.
„TikTok Shop ist Quatsch.“
„Temu ist nur was für Ramsch.“
„Marke geht niemals auf Amazon und nur im eigenen Shop.“
Hinz und Kunz im Expertenzirkus blasen zum Kreuzzug für ihre Kanäle. Ganz so, als gäbe es nur noch eine Wahrheit. Und wer nicht mitzieht, hat halt „das große Ganze“ nicht verstanden.
Das Problem dabei: Wer als eCommerce-Unternehmer diesen Blödsinn glaubt, trifft keine strategischen Entscheidungen mehr, sondern folgt Ideologie. Und das ist brandgefährlich.
Die Distributionspolitik ist keine Bauchentscheidung, sondern ein zentraler Bestandteil jeder fundierten Marketingstrategie.
Viele Berater empfehlen dir genau den Kanal, mit dem sie Geld verdienen und nicht den, mit dem du erfolgreich wirst.
Dabei geht es um drei knallharte Basics: Was verkaufst du? Wer soll es kaufen? Und wo kauft diese Zielgruppe wirklich ein?
Daraus ergibt sich die Entscheidung über die passenden Vertriebskanäle. Vielleicht ist es nur der eigene Shop. Vielleicht Amazon und TikTok. Vielleicht aber auch Zalando oder eBay? Vielleicht alles zusammen. Wer diese Analyse nicht macht, oder sie von einem Berater machen lässt, der nur einen einzigen Tunnelblick kennt, spielt Russisch Roulette mit seinem Unternehmen.
Klartext: Ein eigener Shop klingt sexy. Endlich unabhängig. Die eigene Marke im eigenen Haus. Aber das ist Champions League. Wer hier ernsthaft Kunden gewinnen will, braucht mehr als ein hübsches Design. Ohne echten Traffic, ohne Vertrauen, ohne Story und ohne Community bleibt der Shop eine teure Geisterstadt. Wer dann glaubt, mit etwas Performance-Marketing den Laden schon voll zu bekommen, merkt schnell: der Traffic kostet und die Marge stirbt.
Amazon dagegen bringt Sichtbarkeit und Reichweite quasi mit. Der Marktplatz ist brutal effizient, wenn man Produkte hat, nach denen aktiv gesucht wird. Sichtbarkeit gibt es bei gutem Listing fast automatisch. Aber Markenaufbau? Eher schwierig, weil du eben nur einer unter vielen bist. Trotzdem: Für viele Produkte ist Amazon der Hauptumsatzträger. Wer hier nicht vertreten ist, verschenkt Potenzial. Punkt. Markenaufbau geht auch hier, nur eben anders.
Und dann ist da jetzt auf einmal TikTok Shop. Der Neuling mit den großen Emotionen. TikTok ist kein Marktplatz, TikTok ist Entertainment. Und genau das macht den Shop so spannend. Produkte werden gekauft, weil sie begeistern, nicht weil sie gesucht werden. Live Shopping, Impulse, Empfehlungen, Community-Driven Commerce, das ist nicht Zukunft, das ist Gegenwart. Wird jedes Produkt dort funktionieren? Natürlich nicht. Aber zu behaupten, dort gehe nichts über 30 Euro, das ist Bullshit mit Siegel. Es geht, wenn man Plattformlogik versteht. Und wer sie nicht versteht, sollte lieber den Mund halten.
Das bringt uns zur gefährlichsten Spezies im eCommerce: den Kanal-Spezialisten ohne Überblick. Es ist kein Zufall, dass viele Berater genau den Kanal empfehlen, mit dem sie selbst versuchen ihr Geld verdienen. Shopify-Agenturen empfehlen den eigenen Shop. Amazon-Berater warnen vor TikTok. Social-Commerce-Coaches halten alles andere für tot. Doch wer als Unternehmer diesen Stimmen blind folgt, macht seinen Vertrieb von Ideologie abhängig, nicht von Strategie.
Gerade jetzt, wo die Auftragslage bei den Dienstleistern im eCommerce-Kosmos dünner wird, akquirieren viele mit fragwürdigen Methoden. Frei nach Karl Lagerfeld, wer bspw. auf LinkedIn mit Kotz-Smileys einen anderen Vertriebskanal diskreditiert, der hat die Kontrolle über sich und sein Unternehmertum komplett verloren.
Andreas Frank, Marketing- & eCommerce-Berater
Die meisten dieser Berater sind keine Generalisten, sie sind keine Strategen und sie kennen keine echten Skalierungsprozesse über Plattformgrenzen hinweg.
Das allein wäre noch kein Drama, denn den Beratern steht es frei, sich weiterzubilden und neue Geschäftsfelder aufzubauen. Aber leider glauben zu viele Auftraggeber dem lauten Ragebait-Getöse.
1.) Stellt Fragen – bevor er Antworten gibt
Kein echter Stratege ballert dir sofort einen Kanal um die Ohren. Er fragt zuerst nach Produkt, Zielgruppe, Wettbewerb und Ressourcen.
2.) Verdient nicht nur an einem System
Ein Berater, der ausschließlich an Amazon, eBay, Zalando, Shopify oder TikTok hängt, wird dir kaum zur objektiven Multi-Channel-Strategie raten.
3.) Hat echte unternehmerische Erfahrung
Wer nur in Agenturen gearbeitet hat oder ausschließlich Coachings verkauft, kennt oft nur den Theorie-Part und nicht das echte unternehmerische Risiko.
4.) Denkt in Geschäftsmodellen, nicht in Funnels
Generalisten bauen dir keine Click-Funnels. Sie helfen dir, ein profitables Geschäft über Plattformgrenzen hinweg zu entwickeln.
5.) Warnt dich auch mal vor dem nächsten „Hype“
Ein seriöser Berater sagt dir, wenn etwas für dein Geschäftsmodell gerade nicht sinnvoll ist, auch wen es gerade trendet.
6.) Spricht über Marge, nicht nur über Reichweite
Sichtbarkeit ist gut, Rendite ist besser. Generalisten helfen dir, nachhaltig zu wachsen, nicht nur kurzfristig zu pitchen.
Erfolgreiche Unternehmen denken kanalübergreifend
Sie analysieren ihre Produkte, Zielgruppen und Ressourcen und kombinieren die Kanäle sinnvoll.
Sie wissen, ein eigener Shop kann zur Goldgrube werden, aber nur mit System. Sie wissen auch, Amazon bringt Power, wenn man es beherrscht.
Und sie wissen, TikTok Shop ist kein Hype, sondern ein ernstzunehmender Absatzkanal mit gewaltigem Hebel. Wenn man ihn richtig nutzt.
Wer sich nur auf Performance-Marketing verlässt, läuft direkt in die PPC-Falle. Wer TikTok ignoriert, verliert die nächste Generation. Und wer Amazon meidet, weil es „nicht zur Marke passt“, redet sich arm.
Die einzige Wahrheit ist: Der beste Kanal ist der, der verkauft und nicht der, den dein Berater mag
Wer skalieren will, braucht keine Schablonenberatung. Er braucht jemanden, der ehrlich analysiert, was funktioniert und der alle Optionen auf dem Schirm hat.
Deshalb: Hör auf, dir deine Verkaufschancen selbst zu verbauen. Verkaufe dort, wo gekauft wird. Und nicht dort, wo es dein Berater gerne hätte.
Dein Andreas Frank
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