500 Zeichen für die Backend-Keywords: mehr Fluch als Segen für Amazon-Händler

500 Zeichen Amazon Backend Keywords

Die Erhöhung der Zeichenbegrenzung für Backend-Keywords von 249 Bytes auf 500 Zeichen hat bei Amazon-Händlern und deren Beraterszene für eine Welle der Begeisterung gesorgt. Überall wird die Neuerung gefeiert, als hätte man das Goldene Ticket für unendlichen Traffic und Verkäufe gefunden.

Diese Euphorie wird angetrieben von der Vorstellung, dass mehr Keywords automatisch zu einer besseren Sichtbarkeit führen. Händler und Berater tauschen sich ausgiebig darüber aus, wie man diesen neuen Freiraum ausnutzen kann, um in den Suchergebnissen ganz oben zu landen. Es entsteht der Eindruck, dass man nun mit einer erweiterten Palette an Keywords das Ranking-System von Amazon zu seinen Gunsten manipulieren kann. Die Strategie scheint klar: Je mehr Keywords, desto größer die Chance, von potenziellen Käufern entdeckt zu werden.

Die Versuchung, jeden verfügbaren Platz auszufüllen, kann kontraproduktiv sein und mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen.

Andreas Frank, SELR

Doch während die Händler und ihre Berater im Keyword-Konfetti baden, offenbaren sich die Schattenseiten dieser Neuerung.

Kunden erwarten auf Amazon, gezielt und schnell das zu finden, was sie suchen. Stattdessen werden sie mit einer Flut von noch mehr völlig irrelevanten Suchergebnissen konfrontiert. Die Frustration wächst, wenn die Suche nach einem “blauen Kugelschreiber” Ergebnisse ausspuckt, die von grünen Wachsmalstiften bis hin zu blauen Sneakersocken reichen – alles, nur nicht das Gesuchte.

Amazon selbst, der stille Beobachter dieses Chaos, zeigt sich unerbittlich.

Produkte, die zwar Klicks generieren, aber keine Käufe nach sich ziehen, erleben einen freien Fall im Ranking. Die Ironie der Geschichte? In ihrem Bestreben, die neuen Möglichkeiten maximal auszuschöpfen, haben viele Händler das eigentliche Ziel aus den Augen verloren: den Kunden und seine Bedürfnisse. Das Resultat ist eine verpasste Chance, echte Verbindungen zu potenziellen Käufern aufzubauen. Stattdessen erntet der Unternehmer eine wachsende Distanz vom Kunden zu den Produkten, die durch irrelevante Keywords nur noch vergrößert wird.

Die Chancen der neuen Freiheit:

Erweiterte Indexierungs-Möglichkeiten:
Die Verdopplung der verfügbaren Zeichen bietet die Möglichkeit, Produkte umfassender zu beschreiben und somit die Sichtbarkeit in den Suchergebnissen zu erhöhen.

Zielgenauere Produktplatzierung:
Durch die Nutzung spezifischerer und vielfältigerer Keywords können Produkte genauer auf die Bedürfnisse und Suchanfragen der Kunden abgestimmt werden.

User-Fails nutzen:
Vielfach kennen potentielle Kunden die exakte Schreibweise von Produkten und Eigenschaften nicht. Diese können mit mehr verfügbaren Zeichen besser abgedeckt werden.

Wettbewerbsvorteil:
Die effektive Nutzung der erweiterten Zeichenanzahl kann einen Vorteil gegenüber Konkurrenten darstellen, die ihre Listings nicht sinnvoll anpassen.

Nischenmarkt-Erschließung:
Mehr Keywords bedeuten mehr Möglichkeiten, Produkte in Nischenmärkten zu platzieren und somit eine einzigartige Positionierung zu erreichen.

Verbesserung des Kundenerlebnisses:
Durch präzisere Keywords können Kunden einfacher finden, wonach sie suchen, was zu einer höheren Zufriedenheit führen kann.

Die Risiken:

Überoptimierung:
Die Versuchung, die zusätzlichen Zeichen durch das Hinzufügen irrelevanter Keywords zu nutzen, kann zu einer Flut von nicht zielgerichteten Besuchern führen.

Kundenfrustration:
Wenn Kunden aufgrund überoptimierter Keywords Produkte angezeigt bekommen, die nicht ihren Suchintentionen entsprechen, führt dies zu Frustration und Vertrauensverlust.

Produktabwertung:
Amazon wertet und straft Produkte ab, die einen hohen Traffic, aber eine niedrige Konversionsrate aufweisen. Dies kann ein Indikator für irrelevante Keywords sein.

Wie gehen kluge Amazon-Händler mit den zusätzlichen Zeichen um?

Um die Vorteile der neuen Zeichenbegrenzung optimal zu nutzen und die Risiken zu minimieren, solltest du als cleverer Online-Händler eine kundenzentrierte Strategie verfolgen:

Priorisiere Relevanz:
Konzentriere dich ausschließlich auf Keywords, die eine direkte Relevanz zu deinem Produkt haben. Vermeide es, irrelevante Begriffe einzufügen, die zwar kurzfristig die Sichtbarkeit erhöhen könnten, aber nicht zu echten Konversionen führen.

Diversifiziere intelligent:
Nutze die erweiterte Zeichenanzahl, um dein Produkt aus verschiedenen Perspektiven zu beschreiben, wobei du ein ausgewogenes Verhältnis zwischen allgemeinen und spezifischen Keywords halten solltest. Keywords müssen überwiegend aus der Perspektive des Kunden gewählt werden.

Vermeide Keyword-Stuffing:
Auch mit mehr verfügbarem Platz ist es wichtig, dass du der Versuchung widerstehst, einfach mehr Keywords hinzuzufügen. Fokussiere dich auf die Qualität und die Relevanz der Keywords, anstatt auf die Quantität.

Denke aus der Kundensicht:
Dies ist vielleicht der wichtigste Punkt. Um wirklich relevante Keywords für deine Listings zu finden, musst du dich intensiv mit deinem Produkt auseinandersetzen und es aus der Kundensicht betrachten. Frage dich: Welches Problem löst mein Produkt? Wie würde ein Kunde, der ein Problem gelöst haben möchte, danach suchen? Die Antworten auf diese Fragen sind die Keywords, die du priorisieren solltest.

Keywords müssen immer aus der Perspektive der Kunden gedacht werden.

Andreas Frank, SELR

Das wird kommen:

Die bittere Wahrheit ist, eine erschreckend große Zahl von Händlern wird kopfüber und ohne einen Funken von strategischer Weitsicht oder unternehmerischer Exzellenz in die Falle der 500 Zeichen tappen.

Dies ist kein neues Phänomen, aber es wird durch die Verdoppelung der möglichen Zeichen noch üblere Auswüchse geben. Getrieben von einer fast schon blinden Gier, Keywords bis an den Rand der neuen Grenze zu stopfen, übersehen Händler komplett die Relevanz dieser Wörter. Sie ignorieren die grundlegenden Fragen: Welches Problem löst mein Produkt? Wonach sucht mein Kunde wirklich? Und noch wichtiger: Wonach sucht er definitiv nicht? Stattdessen lassen sie sich von der lauten und oft irreführenden Hysterie der Berater, Coaches und Wettbewerber mitreißen und stürzen sich in das Abenteuer des Keywords-Stuffing. Alles rein, was irgendein überflüssiges Tool anzeigt.

Dieses Vorgehen ist nicht nur selbstschädigend, da es den Händler mit seinen Produkten in den Augen Amazons irrelevant macht – der Kosten produziert und Traffic generiert, der jedoch nicht in Umsatz umgewandelt wird –, sondern es frustriert auch die Kunden zutiefst. Diese müssen sich durch eine Flut von Produkten kämpfen, die mit ihren eigentlichen Suchanfragen nichts zu tun haben.

Ein klassisches Eigentor, das den Händler mit seinem Account schwächt und die Kundenbindung gefährdet.

Sei klüger als Deine Wettbewerber!

Indem du dich tiefgehend mit deinem Produkt und den Bedürfnissen deiner Zielgruppe auseinandersetzt, kannst du die relevantesten und effektivsten Keywords identifizieren.

Diese strategische und kundenorientierte Herangehensweise an deine Amazon-Keyword-Optimierung hilft nicht nur dabei, die Sichtbarkeit deiner Produkte zu verbessern, sondern steigert auch die Wahrscheinlichkeit von Konversionen. Du erreichst damit genau die Kunden, die nach einer Lösung suchen, die dein Produkt bietet. Nichts liebt Amazon mehr, als Produkte, die ab der Ausspielung in den Suchergebnissen, ohne Verzögerung in den Warenkorb kommen und ohne Hin und Her durch den Checkout gehen.

Mehr potenziell nutzbare Zeichen zu haben, ist definitiv ein Vorteil, doch es ist wichtig zu erkennen, dass sie nicht immer vollständig genutzt werden müssen.

Konzentriere Dich auf die Qualität und Relevanz der Keywords.

Statt darauf fokussiert zu sein, jeden verfügbaren Zeichenplatz um jeden Preis zu nutzen, stellst du sicher, dass du genau die Kunden erreichst, die nach einer Lösung suchen, die dein Produkt bietet. Ohne die Risiken der Überoptimierung einzugehen.

Exakt dafür wird Dich Amazon lieben – und organisch besser ausspielen.

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Über die Autor*innen

Andreas Frank

Andreas Frank ist ein Pionier der deutschen Digitalwirtschaft, hat seit 1992 mehrere Internetfirmen mit Erfolg gegründet und ist an acht Exits beteiligt. Er wohnt in Palma de Mallorca und führt seine auf digitale Geschäftsmodelle spezialisierte FrankVestor GmbH in Hamburg. Frank ist ausgebildeter Werbekaufmann und hat Marketing, Kommunikation und Wirtschaftsrecht studiert. Er ist als Berater, Investor und Redner tätig und engagiert sich seit vielen Jahren im Expertenrat des Händlerbundes.